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Urs im Wald

Das neue Rezept

Ich habe nun seit drei Monaten Lehm im Wald geschürft, ihn dann gereinigt und gesiebt, neu mit Sand gemischt und dann in verschiedenen Versionen in die Wände eingebracht. Von Beginn weg habe ich versucht, das Material in der Qualität möglichst dem im Handel erhältlichen anzugleichen. Davon bin ich abgekommen und habe mich nun für ein Verfahren entschieden, das bei geringerem Aufwand ein optimales Resultat erbringen soll. Bisher bin ich immer davon ausgegangen, dass Lehm ausschliesslich als Ablagerung von feinem Material entstanden ist: als Sediment im Wasser oder als Resultat von Windverfrachtungen. Das Material finde ich aber im Wald unter der Wurzelschicht praktisch ausschliesslich als Gemisch von grobem Geröll und feinen Bestandteilen. Die Geologen bezeichnen das offensichtlich als Geschiebelehm. In diesen Schichten sollen mineralische Vorgänge stattfinden, die als Verbraunung und Verlehmung bezeichnet werden. Mir bleibt das alles als Nichtgeologe ein Rätsel. Ich halte mich nun aber einfach an das, was sich mit der Erfahrung aus meiner Hände Arbeit ergeben hat. Die Franzosen reden sowieso nur unspezifisch von bâtir en terre (englisch auch bloss earth building) und nicht von Lehmbau.

Ich unterscheide nun im Aufbau der Wände drei Bearbeitungsstufen, für die ich jeweils eine angepasste Qualität von Lehmgemisch verwende. Zuerst presse ich das praktisch unbearbeitete Material aus dem Wald in die Lamellen der Holzstruktur, nur mit einem 10mm-Sieb von grobem Geröll getrennt und mit Stroh und Wasser vermischt. Nach einer längeren Trocknungszeit gleiche ich die Unregelmässigkeiten dieser ersten Schicht mit einem auf 3 mm verfeinerten Lehmgemisch aus. Für die letzte etwa 5mm dicke Putzschicht verwende ich das feinste Gemisch mit Ton.

Den Ton mit seinen mineralischen Partikeln von weniger als 2 Tausendstel Milimeter Korngrösse kann ich natürlich nicht mit einem Sieb von den grösseren Körnern trennen. Ich nutze daher die Eigenschaft dieser Partikel aus, dass sie mit Wasser aufgemischt nicht sofort absinken, sondern im Wasser schweben bleiben. Das Wasser mit diesen Schwebeteilchen giesse ich in Eimer und lasse es ein oder zwei Tage stehen. In dieser Zeit haben sich die schwebenden Teilchen abgesenkt und das nun klare Wasser kann abgegossen werden. Im Eimer bleibt eine etwa 10mm dicke Schicht von Ton zurück, wahrscheinlich auch mit einem Anteil von Schluff (grösser als 2 Tausendstel Millimeter).

Den nassen Ton vermische ich dann mit einem weiteren Anteil Bausand, auf 1mm gesiebt, und trage diesen „Mörtel“ als Deckschicht auf die angefeuchteten Wände auf, gleiche die Unebenheiten mit einer Bürste aus und sorge dann mit einer Glättekelle für eine mehr oder weniger feine glatte Oberfläche. Dann muss alles nur noch trocknen.

Grosse Zahlen

Schon mehrmals musste ich mich beim Aufbau der Bausubstanz fragen, wie viele Male ich bei repetitiven Arbeiten die gleiche Bewegung oder Arbeitsabfolge zu machen habe. So habe ich geschätzt bisher 4000 Schrauben in den Holzstrukturen versenkt. Für die Lehmwände werde ich 450 Eimer Material mischen müssen. Und damit das Lehmgemisch aufgebracht werden kann, bin ich jetzt daran, etwa 3000 Holzlamellen zuzuschneiden und in die Wände zu flechten. Zum Glück zwingen mich äussere Umstände immer wieder, diese Routine zu verlassen. Holz spalten für die Heizung ist gerade angesagt. Denn die Lehmwände müssen getrocknet werde, da etwa 1000 Liter Wasser wieder aus der Lehmmischung verdunsten müssen.

Gestern habe ich mit dem maçon die Planung für das zweite Haus besprochen…

Insektenleben statt Insektensterben

Die Meteo sagt fürs Wochenende und die folgenden Tage den lang ersehnten Regen voraus. So als benützten sie die letzte gute Gelegenheit, tanzen Myriaden von Insekten im Abendlicht ihren Last Tango. Aber wahrscheinlich feiern sie nur noch mal die Abreise der Schwalben und Fledermäuse. Mit ein paar heissen Tagen gibt der Sommer sein letztes Rendez-vous.

Heu mähen

Anstatt meine vier Wände dauernd mit Lehm zu verschmieren, habe ich mich spontan dazu entschlossen, als Abwechslung wieder mal draussen etwas zu unternehmen. Umso mehr, als die Wiesen schon seit drei Jahren nicht mehr beweidet worden sind. An manchen Orten nehmen die Brombeeren und der Ginster überhand. Und eine dicke Schicht altes Gras liegt am Boden. Also kommt der Fadenmäher zum Einsatz, der alles zerhackt. Im Prinzip eine mühsame Arbeit. Aber durch die anhaltende Trockenheit ist das Gras schon zu Heu verdorrt. Das erleichtert die Aufgabe. Und das Wetter bleibt offensichtlich noch längere Zeit bis in den Oktober hinein sonnig und trocken. So weiss der Bauer: Hilft der Oktober nicht mit Sonne, hat der Winzer keine Wonne. Meine Reben am Haus seien noch nie so schön behangen gewesen, meint mein Nachbar Jean. Er kennt sie immerhin schon seit 84 Jahren. Das Jahr 2018 bringt uns also nicht nur in der Champagne eine Jahrhunderternte. Prost auf den Klimawandel?

Zeitreise

Mit einer Zugreise in den Süden Frankreichs macht man nicht nur eine Reise von A nach B, sondern auch eine Reise vom 21. Jahrhundert zurück zu den Anfängen der Eisenbahn.

Mit dem TGV flitzt man ab Basel mit 250 durch die Ebenen. Nur unterbrochen von kurzen Aufenthalten in überdimensionierten, modernen aber menschenleeren Bahnhöfen Ostfrankreichs. Nach dem Umsteigen in den Regionalzug wird der Reisende aber ins gefühlte 19. Jahrhundert gebeamt. Zwar fährt die Lok nicht mehr mit Kohle und Dampf, sondern mit Diesel und Strom und der Wagen ist somit auch angenehm klimatisiert. Aber die Bahninfrastruktur setzt jedem Modernisierungstrend der Zugkomposition den Chic der Gründerzeit entgegen. Mit maximal 40 km/h bahnt sich der TER seine Spur durch die Wälder, vorbei an Bahnhöfen, die zwar genauso menschenleer wie auf der TGV-Strecke sind, aber manchmal nur so gross wie ein Kiosk. Und man bekommt das Gefühl, dass hier schon seit hundert Jahren niemand mehr aus- oder zugestiegen ist.

Begleitet wird man auf dieser Reise von freundlichem Zugpersonal, das an einer Haltestelle aber auch mal die forsche Anweisung geben kann, den Zug für den Richtungswechsel der Komposition kurz zu verlassen. Das sei Vorschrift. Vielleicht hat der Zugführer keine Lust, den Führerstand ausserhalb der Wagen zu wechseln. Vielleicht soll er aber auch nicht mit den Fahrgästen in Kontakt kommen, weil er immer noch die schwarzen verrussten Kleider vom Kohle schippen trägt.

Und hier noch für alle Klimawandelgläubigen die CO2-Infos für eine Fahrt mit dem Zug zu mir: 19 kg pro Reisenden (TGV 4 kg mit französischem Atomstrom, TER 15 kg aus Diesel). Zum Vergleich ein Mittelwert mit dem Auto: 200 kg. Flug Basel-Montpellier und mein Taxidienst: 160 kg Flug und 45 kg Auto.