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Urs im Wald

Höhenangst

Wenn ich von der neu gebauten ersten Etage auf den Boden des Ateliers hinunterschaue, dann aktiviert sich in mir die Höhenangst und ich klammere mich an alles, was mir mehr Sicherheit gibt. Und wenn ich in die Höhe schaue, dann wird mir noch mehr schwindlig. Ich muss hier eine Trennwand auf über mehr als fünf Meter hochziehen. So kann ich nicht weiterarbeiten. Ich muss mir etwas einfallen lassen. Zuerst wird das Puff aufgeräumt.

Tunnelbau?

Sechs Betonpfeiler an einer Seitenmauer meines Ateliers bilden nun die Unterlage für die Konstruktion der Galerie. Die traditionelle Bauweise hätte die tragenden Balken in die Bruchsteinmauer aufgestützt. Da diese Seite des Gebäudes aber auf natürlichem Untergrund steht, bildet eintretendes Wasser eine ständige Gefahr für das Holzwerk. Dem ist man mit Balken aus Eiche begegnet. Mit diesen armierten Pfeilern gehe ich der Feuchtigkeit aus dem Weg und kann mit heute üblichen Nadelholzbalken arbeiten. Meine Baustelle heisst halt nicht Notre-Dame de Paris.

Bäume verbrennen

Über einen Newsletter habe ich erfahren, dass die Kampagnenorganisation WeMoveEurope eine Unterschriftensammlung für eine Petition unterstützt, die die Europäischen Institutionen dazu aufruft, „die Subventionen und andere Anreize für das Verbrennen von Waldholz zu beenden und an wahrhaft emissionsarme und erneuerbare Energiequellen umzuleiten.“

Dass man sich politisch gegen jedwede Subventionen stellt, kann ich noch verstehen, obwohl das von den Urhebern dieser Petition kaum zu erwarten ist. Aber dass man dazu auffordert, die Subventionen an „wahrhaft emissionsarme und erneuerbare Energiequellen umzuleiten“, lässt meine Stirne runzeln. Welche sollen das denn sein? Hat da jemand das Perpetuum mobile erfunden oder ist das Rätsel um die kosmische Energie des Yoga entschlüsselt und damit unbeschränkt Energie in unserer materiellen Welt zugänglich gemacht worden?

Ich staune und ein Anflug von Scham erfasst mich jetzt immer beim Gedanken, eine Säge an den Stamm eines Baumes anzulegen. Noch mehr aber staune ich über die verirrte Kommunikation der Kampagne. Aus der noch berechtigten Forderung, in aller Welt gigantische Monokulturen und deren periodische Nutzung mittels clear cut für die Energienutzung zu verbieten, wird die Aufforderung, „keinen Baum mehr zu verbrennen“. In den Kommentarspalten der Unterschreibenden werden dann auch prompt Erlebnisse geteilt, wie unangenehm es sei, neben Häusern vorbeizugehen, bei denen ein Kamin rauche. Ob diese Wanderer schon in Kupfer- oder Lithiumminen gelustwandelt sind?

Nun, es bleibt jedem freigestellt, einen Bogen um mein Häuschen mit Kamin zu machen. Aber er oder sie vergibt sich die Möglichkeit, etwas über meinen praktizierten Plenterbetrieb zu erfahren. Sechs Birken liegen noch seit den ersten Tagen des Pandemiebeginns auf dem Waldboden, da ich mich an die strikten Regeln des confinement gehalten und mich nicht mehr aus dem Haus bewegt habe. Höchste Zeit jetzt also, sie vor dem Verfaulen zu retten, denn das Holz hat sich schon etwas dunkler verfärbt. Was für ein toller Arbeitsplatz. Am Fuss einer Birke, die ich am selben Standort vor drei Jahren gefällt habe, zeigen sich schon deutlich die Spuren des Vergehens — aber auch des Werdens.

Zwei Schwestern des Herbstes

Die Herbstzeitlosen weisen in den Wiesen seit ein paar Tagen schon mit ihren lila Blüten auf das Ende der warmen Tage hin. Ihre edlen Schwestern, die Safranknollen, bereiten sich in meinem Garten erst noch auf ihre Blütezeit vor. Da ich einjährige Knollen gesetzt habe, wird von den 350 Pflänzlingen nur ein kleiner Teil eine Blüte ausbilden. Gespannt warte ich auf das Erscheinen der ersten lila Blüten, um ihnen die so begehrten Fäden zu stehlen.

Die dritte

Langsam bekomme ich Routine im Bau von Aussentüren und durch bei den Vorgängerinnen jeweils begangene Fehler kann ich auch den Bauplan immer noch verbessern. Es bleiben ja noch drei weitere zu bewerkstelligen. Immerhin ist mit diesem Eingang ins Atelier der Startschuss zur Renovation des zweiten Hauses gefallen. Auf gehts.